Majestätisch erhebt sich der
Paektusan, der heilige Berg der Koreaner über die irdischen Verwerfungen, die
zu seinen Füssen die Menschen umtreiben. 2750 Meter hoch ragen die Gipfel des
schlafenden Vulkans, dessen Name auf Deutsch „weissköpfiger Berg“ bedeutet,
eine Referenz auf die pulvrig-hellgraue Lava-Asche, die sich wie Puderzucker
auf die braunen und grauen Felsen legt. Ganz oben, dem höchsten Punkt der
koreanischen Halbinsel, gibt der Paektusan einen wunderschönen Blick frei: Der
riesige, tiefblaue Kratersee, entstanden im Jahre 969 beim bisherig heftigsten
Ausbruch des Vulkans, lädt ein zum Träumen. Deshalb nennen die Koreaner den See
Ch’onji – Himmelssee.
Ganz nahe dieser fast magischen Ruhe
findet unter grössten, aber diskreten Sicherheitsvorkehrungen das folgende
Interview statt.
Frage (F):
Mr. Kim Jong-un, vielen Dank, dass Sie sich für dieses Gespräch zur Verfügung
gestellt haben. Ihre Zeit ist knapp, reden wir darum nicht lange um den heissen
Brei herum: Warum dieses Säbelrasseln mit Ihren atomaren
Langstrecken-Raketenversuchen?
Antwort (A):
Ihr Europäer wollt immer nur eine Seite wahrhaben. Eure Lügenmedien erzählen
ständig nur Horrorgeschichten über uns: ‚Achse des Bösen, ‚Kriegstreiber’,
‚dunkles Land’. Totaler Blödsinn. Sie können hier alle fragen: Keiner will
Krieg, auch ich nicht. Wir wollen dasselbe wie fast alle Menschen: Frieden,
Wohlstand, Sicherheit.“
F: Wie passt
das mit Ihren atomaren Tests zusammen? Etwa Raketen für den Frieden? Warum
diese Provokationen?
A: Der Westen
provoziert uns doch auch ständig. Die USA machen seit Jahren Manöver vor
unserer Haustür und spielen mit Südkorea Krieg gegen uns. Wir wissen nie genau,
ob sie nur eine Übung abhalten oder uns angreifen. Es gibt immer noch keinen
Friedensvertrag zwischen Süd- und Nordkorea – nur den Waffenstillstand von
1953. Was ist mit Lybien, mit dem Irak resp. deren gewählten Präsidenten
geschehen? Ermordet!
F: Kann ja
sein. Aber muss man auf Biegen und Brechen am Atomwaffenprogramm festhalten?
A (wird lauter): Kein Land der Welt braucht
Atomwaffen dringender als Nordkorea. Hirngewaschene Amerikaner, deren
Geschichtsverständnis nur bis 9/11 zurückreicht, sind natürlich anderer
Meinung, aber sie beziehen ihre Informationen von manipulierten Medien: CNN,
Fox und wie sie alle heissen. Ein Beispiel: Sollte eine Nation vor der
kalifornischen Küste Flugzeugträgergeschwader stationieren und vor der
mexikanischen Küste gewaltige Manöver durchführen, mit der Absicht, die gesamte
Bevölkerung einzuschüchtern, dann würden sie die Lage vielleicht anders
betrachten. Die laufen doch schon bei der Androhung einer Mauer Amok! Sie sähen
dann, wie nützlich es ist, ein paar Atomwaffen zu haben, um andere davon
abzuschrecken, etwas richtig Dummes anzustellen.
F:
Übertreiben Sie nicht?
A: Lassen Sie
mich historisch werden: Wissen Sie, dass die USA im Koreakrieg zwischen 1950
und 1953 mehr Bomben auf Nordkorea abgeworfen haben als während des gesamten
Zweiten Weltkriegs im Pazifikraum? Dass dazu auch 32’000 Tonnen (!) Napalm
gehörten, mehr als in Vietnam? Eine Expertise von US-Militärs zeigte im
Anschluss an den Korea-Krieg, dass das Land proportional einen höheren
Zerstörungsgrad aufwies als Japan Ende August 1945. Man schoss auf alles, was
sich bewegte und bombardierte nicht nur Städte, sondern auch Dämme, um
landwirtschaftliche Flächen zu fluten und so die Lebensmittel-Versorgung der
Bevölkerung zu kappen.
Allein auf
Pjöngjang warfen die USA mehr als 420’000 Bomben ab, die Stadt war eine einzige
Trümmerwüste.
F: Können Sie
dies belegen?
A (noch lauter): Belegen? Gibt es eine
zynischere Frage? In einer alarmierenden Botschaft an die Vereinten Nationen
schrieb Nordkoreas Aussenminister im Januar 1951: „Am 3. Januar um 10.30 Uhr
entlud eine Armada von 82 fliegenden Festungen ihre tödliche Ladung auf
Pjöngjang. Hunderttausende Tonnen Bomben und Brandsätze wurde fast gleichzeitig
auf die Stadt abgeworfen. Die transatlantischen Barbaren bombardierten die
Stadt mit hochexplosiven, zeitversetzt zündenden Bomben, die einen ganzen Tag
lang in Intervallen explodierten, so dass es den Menschen unmöglich war, auf
die Strassen zu gehen. Die gesamte Stadt brennt nun seit zwei Tagen. Am zweiten
Tag waren 7812 Häuser abgebrannt. Den Amerikanern war bestens bekannt, dass es
in Pjönjang keine militärischen Ziele mehr gab. (...) Es sind noch etwa 50’000
Einwohner in der Stadt. Vor dem Krieg waren es 500'000.“
Darüber lesen
Sie im Westen nie etwas!
F (sichtlich
beeindruckt): In der Tat...
A: Schauen Sie, westliche Frau, der einzige Grund, warum
ich Saddam Hussein und Ghaddafi noch nicht im Jenseits die Hand schüttle ist a)
weil wir nicht auf Öl sitzen wie Lybien oder der Irak, die übrigens den Amis
auch vertraut haben!, und b) weil wir die Möglichkeit haben, Okinawa, Tokio und
Seoul in brennende Trümmerfelder zu verwandeln. Ohne unsere
Massenvernichtungswaffen hätten wir längst einen Präventivschlag einstecken müssen.
Wenn es denn bei einem geblieben wäre.
Trump steht
doch Morgens auf und wenn ihm seine Tochter sagt, er müsse Pjöngjang
bombardieren, weil ein Baby dort gestorben ist, tut er es doch!
F: Gibt es
einen Weg aus dieser Sackgasse?
A: Natürlich!
Man müsste nur das Abkommen von 1994 umsetzen.
F: Und wie
lautet dieses?
A: Das Abkommen behaltet sogar Versprechen: Der Westen,
vor allem die USA, helfen uns beim Bau von zwei Leichtwasserreaktoren, damit
mein Volk mit Heizwärme und genügend Licht versorgt werden kann und wir stoppen
im Gegenzug unser Nuklearprogramm. Davon werden Sie in westlichen Medien nichts
mehr lesen, die sind doch nur der Propagandaflügel des Pentagons und seiner
Waffenlobby! Das ist alles. Haltet euch einfach an den verdammten Deal. Wie schwierig
kann das sein?
F: Wie
schwierig?
A: Der ehemalige Präsident der USA, Jimmy Carter, hat es
2010 in der Washington Post so
zusammengefasst: “Die Vereinbarung beinhaltet die Denuklearisierung der
nordkoreanischen Halbinsel, den Verzicht auf einen Angriff seitens der USA und
Schritte zur weiteren Entwicklung des Landes und zu einem dauerhaften
Friedensvertrag, der den Waffenstillstand von 1953 ablösen soll. Leider ist
seit 2005 kein substantieller Fortschritt mehr erzielt worden.“
Wieso hat
eigentlich Obama den Friedensnobelpreis erhalten? Ein Witz! Noch Fragen?
F: Nein. Mr.
Kim Jong-un, vielen Dank für das Gespräch.
A: (Geht grusslos davon...)